Woche 4 meines Neustarts und der Rückfall in ein altes Verhaltensmuster
Wer mich kennt, weiß, dass ich bis aufs Blut diszipliniert bin. Eiserner als die Eiserne Lady. Mein Ehrgeiz hat mich schon oft krank gemacht. Über meine Grenzen gehe ich standardmäßig. Meine Sturheit hat mich schon in einige brenzlige Situationen gebracht. Obendrauf bin ich perfektionistisch wie keine zweite. Platz Zwei ist Scheitern für mich.
Ich war immer bekannt für meine Härte. Mein Spitzname als Fitnesstrainerin war Quälix. Andere quälen, aber vor allem mich selbst.
Ich habe die Hantel nicht abgelegt, wenn meine Hände gebrannt haben. Ich habe sie überhaupt nicht freiwillig abgelegt. Ich habe erst mit den Bizep Curls aufgehört, als mir die Hantel aus der Hand gefallen ist. Und selbst dann habe ich sie oft wieder gegriffen und bis zum absoluten Versagen trainiert. Für sichtbare Adern am Handgelenk und einen muskulösen Arm hätte ich alles getan. Ich wollte die perfekte Sportlerin sein.
Je mehr ich körperlich stärker werden wollte, desto schwächer wurde ich. Ja, man kann etwas zu sehr wollen. Ich trainierte zu Höchstzeiten 14 Mal pro Woche bis mir die Tränen in die Augen schossen. Und noch mehr. Zeitgleich absolvierten andere Sportler neben mir 2 Workouts pro Woche mit mittlerer Intensität und erzielten bessere Ergebnisse.
Also probierte ich das auch. Und scheiterte. Ich probierte Dutzende Pläne von anderen. Und scheiterte. Nichts funktionierte für mich. Bis ich irgendwann dachte: Scheiß drauf, und jegliche Workout-Struktur über den Haufen warf. Bis es mir egal war, ob ich ein Sixpack hatte oder nicht. Und das war der Moment, in dem ich meine Routine erreichte. Inmitten des Chaos, inmitten des Nicht-Wollens fand ich meinen Willen. Meinen Willen und meine Freude. Freude hat mir nicht meinen Traumkörper gebracht. Nicht den Körper, den ich an anderen so bewunderte. Sondern den Körper, der mir ermöglicht, zu jumpen, wann immer ich will. Vielleicht waren die 15 Kilo mehr das Ende meiner Welt. Vielleicht waren sie auch der Anfang einer neuen Ära. Einer Ära, in der ich nicht für mein Äußeres, sondern für mein Inneres lebe.
Jetzt in meinem Neuanfang habe ich dieses alte Verhaltensmuster wiederbelebt. Ich suchte im Außen nach meinem Frieden: Ich suchte einen neuen Wald, ein neues Feld, einen neuen 24/7-Ort, ein neues Jumpingstudio. Orte, die mir in meinem alten Zuhause Frieden brachten, wollte ich im neuen suchen. Ich suchte auf Biegen und Brechen. Bis mir die Tränen kamen, weil ich jede Straße 10 Mal abgelaufen hatte. Ich wollte es so sehr. Ich wollte den Frieden finden, um eine angenehme Person und eine gute Gesellschaft für andere zu sein. Damit ich meine Wut und meine Trauer im Wald statt bei anderen Menschen lassen kann. Je mehr ich suchte, je mehr ich es unbedingt wollte, desto weniger sah ich. Desto kleiner wurde meine Perspektive. Desto starrer und sturer meine Gedanken. Und desto mehr entfernte ich mich vom Frieden und ließ meine schlechte Laune bei anderen aus.
Aber wie findet man Frieden im Inneren? Durch Yoga, Meditation, Affirmationen, schlaue Fragen, Coaching, Atemtechniken? Ich probierte es alles. Und wieder verlor ich mich in Plänen von anderen. Wie die Fitnesspläne, funktionieren sie für viele Menschen. Für mich nicht.
Ich denke, meine Lernaufgabe ist, mich wirklich zuzumuten. Mit meiner schlechten Laune. Mit meiner Wut. Mit meiner Trauer. Ohne etwas für andere zu leisten. Nehmen ohne zu Geben, weil ich zu lange nur im Geben war. Die Balance wieder herstellen. Und eine große Portion Nicht-Wollen. Kann ich wirklich sagen: Ich will keinen Frieden?!
Ja, vielleicht weil Wut manchmal schöner ist als Frieden. Ja, vielleicht weil Trauer manchmal schöner ist als Frieden. Ja, vielleicht weil schlechte Laune manchmal schöner ist als gute. Ja, vielleicht weil Nehmen ohne Geben nicht egoistisch, sondern (Selbst-)Liebe ist.
Viel zu lernen.
So viel zu Woche 4 meines Neuanfangs.
Achso: Ich lasse den Frieden los. Ich will ihn nicht mehr. Wenn ich nie mehr Frieden fühle, ist alles gut. Und meine Erinnerungen an meine Friedensmomente im Wald trage ich sowieso in meinem Herzen.

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