22. Juli 2024
Wie es weitergeht – weiß ich nicht.
Heute vor einem Jahr sah mein Leben ganz anders aus. Ich hatte gerade das vierte von fünf Leveln meiner Emotionscoach-Ausbildung abgeschlossen. Ich liebte es, in Resonanz zu atmen, zu klopfen, Tagebuch über meine Ehrfurcht-Momente zu führen. Ich liebte es, meine Techniken in Probecoachings zu verfeinern und auch selbst gecoacht zu werden. Ich liebte es, mit meinen neuen Freunden so lange Insta-Nachrichten auszutauschen, bis nicht mehr Zeichen in die Nachricht passten. Ich verwendete nicht den Ausdruck „Ich liebe es“, doch es war das, was ich fühlte.
Dieses Jahr fing ich an, Live-Seminare zu besuchen. Nicht zur Ausbildung, sondern zur Persönlichkeitsentwicklung. Meine Liebe fing an, zu fließen. Ich fing an, „Ich liebe Dich“ zu sagen. Meine Energie fing an, so tief zu lieben, wie ich es noch nie zuvor gespürt habe. Ich war in dieser Seminarbubble und jeden Monat gab es ein neues Event. Irgendwie hat sich das alles so ergeben, eins nach dem anderen, Monat nach Monat. Ich hatte Durchbrüche, ich fühlte Demut, Menschen waren so sehr für mich da wie noch nie. Viele Momente waren Freude, Freiheit, Frieden. Viele Momente waren Angst, Verzweiflung, Aufgeben-Wollen. Doch ein unsichtbares Band aus Liebe zog mich weiter.
Heute fühlt es sich so an, als hätte ich dieses Band zerschnitten.
Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden so sehr vermisst.
Bis bald in meinem Kino.
23. Juli 2024
Heute erscheint es mir lächerlich, meine Liebesfähigkeit auf meine Emotionscoach-Ausbildung und die Persönlichkeitsentwicklungsseminare zurückzuführen. Meine Liebesfähigkeit geht tiefer als mein Verstand erklären kann.
Mein ganzes Leben lang hatte ich Angst vor Menschen. Angst, Menschen zu verletzen. Angst, von Menschen verletzt zu werden. Und weil ich (mit Ausnahme der Corona-Zeit) überall auf Menschen traf, lebte ich 24/7 in Angst. Ich wachte auf und hatte Angst. Mein Herz pochte, meine Kehle schnürte sich zu, mein Atem blieb mir im Hals stecken – noch bevor ich meine Füße über die Bettkante gestreckt hatte.
Das ist besser geworden im letzten Jahr. Aber der richtige Durchbruch kam erst vor zwei Wochen. Ich öffnete meine Augen und erwartete Angst. Als nicht das vertraute Gefühl der Enge kam, war ich im ersten Moment so irritiert, dass mein Verstand versuchte, es sich über Gedanken zu holen: Du hast doch Angst, Lisa. Du hast doch immer Angst. Warte kurz, gleich ist die Angst wieder in Dir. Ich bemerkte es und sagte innerlich STOPP. Ich wollte sehen, was gerade wirklich da ist. Ich konnte mühelos in den Bauch atmen. Ich hatte nicht den Drang, mich zu verstecken. Ich fühlte mich nicht gehetzt, noch vor 6 Uhr die fünf wichtigsten Aufgaben des Tages zu schaffen. Ich fühlte Wärme in meinem Bauch. Einen ruhigen Fluss zwischen meinem Mund und meinem Bauch. Eine hauchdünne, ultrazärtliche Umarmung an meinem Rücken. Eine Hand, die die Last von meiner Schulter genommen hatte. Geborgenheit. Gelassenheit. Ruhe. Vertrauen. Zuversicht. Wohlwollen. Liebe.
Das waren wundervolle Tage. Jetzt wache ich allerdings wieder mit der Angst auf. Weil es sich so anfühlt, als hätte ich dieses unsichtbare Band aus Liebe zerschnitten.
Ein Teil von mir möchte komplett aufhören mit Coaching, Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität. Ich möchte nicht zurück in mein altes Leben gehen, denn da war wirklich auch nicht so oft Friede, Freude, Eierkuchen. Das Leben ist ja auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Ich möchte einfach nicht mehr ständig meine Lebensumstände infrage stellen. Bevor ich Persönlichkeitsentwicklung kennenlernte, war ich in Frieden mit meinem kleinen, beschaulichen Leben. Ich hatte nichts, am wenigsten Geld, und das war okay für mich. Beruflich gab es die Wege Ausbildung oder Studium, die aber am Ende beide in ein sicheres Angestelltenverhältnis führten. Das war friedlich. Jetzt stehe ich hier mit meiner Coachingausbildung und sehe online jeden Tag Menschen, die ihre Ausbildung mit mir gemacht haben und nun selbstständig ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Mein Gefühl, wenn ich Instagram öffne: Ich mache nicht genug aus meinem Leben.
Dann gibt es noch die Menschen, die ich kostenlos coache, weil sie mich fragen. Wenn die dann sagen: „So schade, dass Du kein Coach bist, Du machst das doch so gut“, denke ich: Ich mache nicht genug aus meinem Leben.
An manchen Tagen fühlt es sich für mich so an, als sei jeder, der Persönlichkeitsentwicklung macht, entweder selbstständig, auf dem Weg dahin oder im Begriff, einen neuen Job anzufangen. Stundenlange Gespräche über Businessideen, Führungsqualitäten und die Arbeit der Zukunft haben mich eher depressiv als inspiriert zurückgelassen. Und wieder mit dem Gedanken: Ich mache nicht genug aus meinem Leben.
Obwohl ich einige Leute kenne, die von heute auf morgen alle Zelte abgebrochen, einmal um den halben Erdball ausgewandert sind und dort von Null auf hundert ihr erfolgreiches Online-Business gestartet haben, gibt es noch diese Menschen, die meinem Ist-Zustand näher sind. Die sich während ihres Hauptjobs nebenberuflich was aufbauen. 40 Stunden im Konzern, danach Menschen coachen, Reels schneiden, netzwerken. Und ich denke mir, wenn ich um 19.30 Uhr erschöpft die Haustür aufschließe: Ich mache nicht genug aus meinem Leben.
Früher hatte ich diesen Gedanken nicht. Ich kannte nur das Angestellten- und das Beamtenverhältnis. Ich kannte Autoren und stellte mir manchmal mein Weltbestsellerimperium vor. Aber es war ausschließlich eine Träumerei, die mir ein bisschen Farbe und Trost in schwierigen Zeiten gab. Mit keiner Zelle meines Körpers hielt ich das möglich für mich.
Jetzt halte ich es für möglich. Die Wahrheit ist: Ich habe noch nicht einen Satz geschrieben. Ich mache keine Schreibübungen. Ich mache mir keine Notizen, wenn ich das Gefühl habe, das Universum schickt mir ein Zeichen für meinen Weltbestseller. Ich mache gar nichts.
Ich habe lange gebraucht, um mir einzugestehen, dass meine berufliche Situation, wie sie aktuell ist, mir nicht entspricht. Ich habe mich mit dem Leid meiner Kollegen solidarisiert. Nach außen sagte ich immer, dass ich wechseln werde. Dass ich es mir wert bin, meinen Job zu wechseln. Aber innerlich sah ich mich immer den nächsten Verlängerungsvertrag unterschreiben und danach den nächsten und immer so weiter bis 40 Jahre vergangen sind. Ein mögliches Verlassen fühlt sich an, als würde ich meine Kollegen im Stich lassen. Auch gibt es einen Teil in mir, der glaubt, dass ich nichts anderes arbeiten kann als das, was ich jetzt mache. Und doch habe ich am Freitag ein Vorstellungsgespräch. Weil ich heilen will.
24. Juli 2024
Gestern habe ich geboxt mit aller Kraft, die ich hatte. Heute fühle ich mich trotzdem elendig. Ich vergleiche mich, obwohl ich weiß, dass ich es nicht tun sollte. Meine Gedanken sind so unrealistisch, dass ich selbst über meinen Kopf schmunzeln muss. Offensichtlich fehlt es mir an Wissen, aber meine Symptome in Google zu suchen, bringt mich auch nicht weiter.
Ich habe das Gefühl, dass die ganze Welt Fortschritte macht, jeder seine Energie erhöht, Muster durchbricht und jeden Tag besser wird – außer ich. Mein Leben fühlt sich gerade nach Scheitern an. Obwohl ich mein Bestes gebe, Schmerz zuzulassen, meine Glaubenssätze zu transformieren und mich neu in bekannten Situationen zu verhalten. Ich trete auf der Stelle. Und vielleicht gibt es keine falschen Entscheidungen und es dauert nur länger, bis ich am Ziel ankomme. Aber ich möchte verdammt nochmal nicht länger warten.
Ich vertraue dem Leben. Ich versuche das jetzt mit der Ruhe und dem Erden. Manchmal bin ich ein trotziges Kind.
25. Juli.2024
Heute habe ich eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, auf meine Intuition zu hören – scheiss egal, wie sehr mich mein Verstand fickt. Denn in meinem Kopf ist zurzeit wenig Liebe. Und was ist das Leben ohne Liebe?

Liebe Lisa
Wunderschön geschrieben 💖 Ehrlich-authentisch 🫶
So viele Menschen haben das Problem des Vergleichens- besonders auf Social Media. Der Widerspruch besteht darin, dass wir ja „eigentlich“ wissen, dass Instagram nicht die Realität ist.
Und dann noch die tollen Seminare, die ich ja auch so liebe. Verbindungen, Erfolge, Erkenntnisse,…. und dann der Alltag. Ich fahre nach Hause und was mache ich dann mit all den aufgepoppten Themen?
Ich liebe deine Offenheit und übrigens auch dich, einfach weil du bist.
Schön, dass du da bist. 💖
Immer wieder schön, deine Worte zu lesen. 🙏