Woche 3 meines Neuanfangs
~ Dein neues Leben kostet Dich Dein altes Leben. ~ Diesen Spruch habe ich circa 2018 das erste Mal gehört. Altklug genickt habe ich damals – mit 19 Jahren.
Woche 3 meines Neuanfangs in einem neuen Bundesland, einem neuen Job und einer neuen Beziehung ist beinahe rum. Und ich schwöre, hätte mir jemand vor 3 Wochen gesagt, an welchem Punkt ich heute stehe – dann hätte ich vermutlich ,Nein danke’ gesagt und wäre in meinen alten Leben geblieben.
Absolut nichts ist mehr so, wie es früher war. Andere Arbeitszeiten, andere Straßen, andere Menschen, andere Benimmregeln in der “S-Bahn”, andere Wohnsituation. Kein Wald, kein Obst und Gemüse direkt vom Feld, keine Sportkurse mehr, kein eigenes Bett, niemand, der “Erbarme, zu spät” als Schulklingel hatte.
Und obwohl alles so anders geworden ist, mein Alltag komplett auf den Kopf gestellt wurde und nicht ein Stein auf dem anderen geblieben ist, habe ich in den letzten drei Wochen versucht, mein altes Ich weiterzuleben.
Ich versuchte, die Arbeitsweise einer schnelllebigen Tageszeitung auf ein kleines Marketingteam zu übertragen – und scheiterte. Ich setzte mir viel zu hohe Ansprüche – und enttäuschte mich dadurch selbst.
Ich versuchte, ein Feld und einen Wald zu finden, die genauso waren wie in meinem alten Zuhause. Mein Fokus war so auf dem Alten, dass ich alles, was auch nur 1 Prozent davon abwich, sofort und konsequent ablehnte. Zum Beispiel, wenn ich 20 Autos auf der Straße sah statt der gewohnten maximal 2.
Ich versuche, meine Sportroutine genauso fortzuführen wie als Fitnesstrainerin. Ohne Kursteilnehmer, ohne Fitnessstudio, ohne meinen Wecker auf 5 Uhr zu stellen. Ich versuchte, meine Kursstunden statt mit 20 Teilnehmern nur mit mir selbst anzuleiten. Ich versuchte, mir neue Zeitfenster nach 7 Uhr für meine Workouts freizuschaufeln – wohlwissend, dass mir das schon immer schwergefallen ist.ä
Ich versuchte, meinen Feierabend als Single weiterzuführen, obwohl gemeinsame Paarzeit anstand. Ich spazierte erst alleine und dann zu Zweit.
Ich war mit meinen Gedanken nicht nur in der Vergangenheit – was auch nicht immer optimal für mich ist – sondern war auch im Vergleich. Ich verglich mein altes Leben mit meinem neuen. Bis ich – nach einigen Schmerzen und Dramen – zur Erkenntnis kam: Es ist wirklich nichts mehr von meinem alten Leben in meinem neuen. Kein Mensch, keine Gewohnheit, nicht mal ein Salat.
Und ich wünschte, ich könnte sagen, dass dann alles gut geworden wäre und ich endlich losgelassen und Frieden geschlossen hätte. Meine Gedanken hatten noch keinen Frieden. Denn ich war weiterhin sehr im Außen. Mein Wohnort, mein Job, meine Beziehung. Und ich glaubte – trotz wirklich viel Persönlichkeitsentwicklung – dass mein Außen meine Identität formt. WENN ich einen schönen Wald finde, DANN kann ich Entspannung haben. WENN ich ein neues Fitnessstudio finde, DANN kann ich in meine Sportroutine kommen. WENN ich mich in meinem neuen Job behauptet habe, DANN ist mein Bestes gut genug und ich muss mich nicht totarbeiten.
Gott war sehr gut darin, mir das alles nicht zu geben. Von Tag zu Tag hatte ich das Gefühl, noch mehr von mir zu verlieren – materiell (Geld, Platz im Kleiderschrank, Schuhe, die kaputt gingen), emotional (Freude, Leichtigkeit, Freiheit) und spirituell (Energie geraubt zu bekommen). Alles in mir war im Mangel – mein Fokus, meine Gedanken, meine Identität. Zwar sagte ich mir auf der bewussten Ebene ständig, wie dankbar ich für meinen Neuanfang bin und dass ich heute bestimmt was Schönes entdecken werde – aber unbewusst war ich so im Mangel, dass nichts davon durchkam.
Und da der Vergleich altes Leben – neues Leben vorbei war, suchte sich mein Gehirn einen neuen Vergleich. Einen, der mich noch mehr schmerzte, als meine vergangenen Glücksmomente loszulassen: Meine Beziehung. Ich verglich mein Essverhalten, meine Sportroutine, meine Schlafensdauer, meine Körperpflege, meinen Kleidungsstil, meine Toleranzgrenze, meine Geduld, meine Empathie, meine Liebesfähigkeit. Und wie das immer so ist mit Vergleichen, stand ich in absolut allem bei -1000 und die andere Hälfte bei +1000. Und dann wurden meine Gedanken hässlich. Noch hässlicher als sowieso schon. Und in der Hässlichkeit wachte ich auf. In der Hässlichkeit sah ich das Schöne.
Wie ein anderer Mensch zu sein ist ungefähr genauso realistisch wie von seinem 1. Lebensjahr bis zum 100. jeden Tag komplett gleich sein altes Leben zu leben und nie was Neues zu haben. Wir wissen das alle. Wir wissen alle, das Vergleichen unglücklich macht und Mangel erzeugt. Wir wissen alle, dass wir uns nach einem Vergleich noch nie besser gefühlt haben als vorher. Selbst wenn der Vergleich nur mit uns selbst ist – sowas wie Glow-up, 10 Kilo abgenommen, neuer Haarschnitt, neue Bestzeit beim Joggen. Vielleicht fühlen wir uns nach Vergleichen manchmal gut – doch die Leere kommt immer. Die Leere und das Gefühl, dass nichts im Außen zur Erfüllung führt.
Warum können wir uns überhaupt vergleichen, wenn es zu nichts führt? – Das habe ich mich gefragt. Ich habe vielleicht nicht die Antwort, aber ich habe meine. Zumindest die, die ich mir heute gebe.
Vergleich (aka Mangel) findet im Inneren statt. Fülle findet im Inneren statt. Ein Weg zu Fülle ist Vergleich (aka Mangel). Weil wir erst durch das Gegenteil einer Sache die Sache wirklich wahrnehmen können. Ich kann das Licht sehen, weil ich Dunkelheit kenne. Ich kann mich für Fülle entscheiden, weil ich Mangel erfahren habe. Und ich kann Fülle in mir erzeugen, weil ich Mangel (aka Vergleich) in mir erzeugt habe.
So lange wollte ich den Vergleich als solches loslassen. Heute will ich das nicht mehr. Ich will meinen Fokus auf den Vergleich loslassen. Dann kann ich Mangel und Fülle gleichzeitig wahrnehmen und mich entscheiden, was ich in mir verstärkt erzeugen möchte.
Mein Ziel ist nicht, mich weniger zu vergleichen. Sondern in jedem Vergleich die Möglichkeit zur Fülle (Liebe) voll und ganz zu sehen.
Ich lasse nicht mein altes Leben los.
Ich lasse nicht meinen Vergleich los.
Ich lasse meine Sturheit los, mich nur auf die eine Seite zu versteifen.
Ich lasse meinen einseitigen Fokus los.
Ich lasse meine Kurzsicht los.
Ich lasse alle meine Blockaden zur Liebe los.
Und die Liebe lasse ich auch los.

Schöne Entwicklung 🫶😘
Danke für‘s teilen.