Samstags um 17 Uhr ins Bett gehen oder bis Mitternacht arbeiten – Welcher Schlafrhythmus bringt die meiste Energie?

Samstagnachmittag, 17 Uhr. Yeah, nur noch eine Stunde, bis ich endlich ins Bett gehen kann. Innerlich
schlafe ich schon. Doch ich schleppe mich in die Küche und tunke einen Teebeutel in mein Bierglas.
Wie andere Leute nach 18 Uhr noch aus dem Haus gehen können, ist mir ein Rätsel. Mein größtes Ziel
ist, mich zuhause einzuschließen und mein Handy auszumachen. Niemals würde ich auf die Idee
kommen, freiwillig auf die Straße zu gehen. Da sehe ich sowieso nur Menschen, die miteinander
reden. Ich habe niemanden zum Reden. Ich überlege, ob ich WhatsApp deinstallieren soll. Es schreibt
mir sowieso keiner außer die Arbeit. Und ich will nicht dauernd auf mein Handy schauen und sehen,
dass es nichts zu sehen gibt. Keine neue Nachricht. Monatelang.

Woher andere samstags die Energie nehmen, mit anderen zu reden, zu tanzen und zu feiern, weiß ich
nicht. Ich wache morgens auf und bin müde. Will mich direkt wieder hinlegen. Ich habe keine Kraft
für mein Studium, für meinen Aushilfsjob beim Bäcker, für meinen Haushalt. Das einzige, was mich
wirklich wach macht, ist die Angst, zuzunehmen. Der Drang, zwei Stunden Sport zu machen, scheucht
mich aus dem Bett.

Wie andere Bier in einem Bierglas trinken können, ohne zuzunehmen, das wüsste ich gern. Ich kann
daraus nur grünen Tee trinken und selbst dann wölbt sich mein Bauch ins Unermessliche. Und das,
obwohl ich den ganzen Tag nichts gegessen habe. Mein Körper ist nicht von dieser Welt. Ich bin
hässlich, wertlos und fett. Wie sehr ich mich auf 18 Uhr freue. Dann kann ich mir endlich die Decke
über den Kopf ziehen. Für ein paar wohlige Stunden habe ich eine Pause von meinem
Gedankenkarussell. Die besten Stunden meines Lebens. Nichts denken, nichts sagen, nichts tun
müssen.

Ein anderer Samstagnachmittag, 17 Uhr. Ich bin in einer fremden Stadt, stehe in einem fremden
Friseursalon bei fremden Menschen. Bis nach Mitternacht werde ich arbeiten. Denn ich bin in
Büdesheim und begleite die Laternenkönigin reportageartig bei ihrem Nachtumzug. Ich werde eine
gute Leistung erbringen, weil ich meine Lebenskraft spüre. Auch unter der Woche arbeite ich
mindestens bis 18.30 Uhr. Es fällt mir extrem schwer, nachzuvollziehen, wie ich früher um 18 Uhr ins
Bett gegangen bin. Wie ich einmal um 19 Uhr schlafen wollte, aber es einfach nicht geschafft habe,
meine Augen eine Stunde länger aufzuhalten. Ich spüre die Lebensmüdigkeit, die Erschöpfung, die
Leere. Aber ich verstehe nicht, warum ich nicht wenigstens einen Apfel gegessen habe. Das war schon
nicht mehr Überleben, das war Sterben wollen. Ich wollte nicht mehr leben, weil ich es nicht ertragen
konnte, unperfekt zu sein. Ich hasste mich, weil ich nicht perfekt war. Und ich versuchte alles, um
wenigstens die perfekten Umstände zu schaffen.

Wie eine perfekte Schlafroutine. Samstags um 18 Uhr ins Bett gehen, um 4 Uhr aufstehen. Zwei
Stunden Sport, dann los zum Bäcker. Den Rest der Woche um 21 Uhr schlafen, um 5 Uhr aufstehen.
Zwei Stunden Sport, dann los zum Bäcker oder zur Uni. Samstags gönnte ich mir die zwei Stunden
Schlaf mehr, weil ich bis dahin meist alle Aufgaben erledigt hatte. 10 Stunden Schlaf waren es, auf die
ich jede Woche hinarbeitete. Etwas Schöneres gab es nicht in meinem Leben.

Bis ich meinen nächsten Vollzeitjob anfing und mit einem Kollegen über Schlafgewohnheiten sprach.
Um 21 Uhr ins Bett gehen, das klingt nach einem freudlosen Leben, sagte er. Ich stritt es ab. Äußerlich
und innerlich. Ich hatte keine Freunde, wohl aber Freude. Wochenlang suchte ich nach einem
Moment in meinem Leben, in dem ich Freude fühlte. In der perfekten Schlafroutine war es nicht.
Freude kam allerdings auch nicht, als ich nur fünf Stunden schlief. Für mich ging es nicht darum, die
Perfektion loszulassen und meine Fehler zu akzeptieren. Es ging nicht um den Schlaf, um den Sport
oder ums Essen.

Freude kam zu mir, als ich aufgehört habe, mir vorzustellen, wie mein Tag laufen
sollte. Als ich aufgehört habe, mir vorzustellen, wie mein Tag hätte laufen können. Als ich aufgehört
habe, aus dem jetzigen Moment den nächsten abzuleiten. Als ich meine Vorstellungen und
Erwartungen an meine Gegenwart losgelassen habe. Als ich voll und ganz im Moment war. Freude
kommt, wenn ich mit Körper, Geist und Seele im Jetzt bin. Aktiv Leben ist, wenn ich mit all meinen
Teilen da bin.

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