Was ich mache, wenn ich noch nicht bereit bin, loszulassen
Mein früheres Ich loslassen. Meine Erwartungen an meine Zukunft loslassen. Meine Angst loslassen. Mein Streben nach Perfektion loslassen. Meine Wut loslassen. Gedanken loslassen. Mich mit anderen vergleichen loslassen. Meinen Plan loslassen. Den Moment loslassen. Das Gefühl, gebraucht zu werden, loslassen. Die Vorstellung, wie etwas sein könnte, loslassen. Leistungsdruck loslassen. Ungenutzte Chancen loslassen. Den Drang, jede Aufgabe sofort erledigen zu wollen, loslassen. Angst, Menschen zu verletzen, loslassen. Angst vorm Scheitern loslassen. „Ich bin nicht gut genug“ loslassen. Meine Sorgen loslassen. Angst vorm Nein sagen loslassen. Angst vor Leere loslassen. Das Gefühl, nicht dazuzugehören, loslassen. Meine Unzufriedenheit, weil ich nicht die Person bin, die ich gern wäre, loslassen. Schönheitsideale loslassen. Angst vor Nähe loslassen. Destruktive Gewohnheiten und Denkmuster loslassen. Die Vorstellung, dass das Leben gerecht ist, loslassen. Die Probleme anderer zu meinen machen, loslassen. Meine Schutzmauer aus Schweigen loslassen. Ahh. Das Loslassen loslassen. Obwohl ich jeden Tag ein Stückchen mehr loslasse, gibt es noch so vieles, was ich loslassen möchte. Eine endlose Liste. Wahrscheinlich schaffe ich gar nicht alles davon in diesem Leben. Manchmal überfordert mich das Loslassen auch.
Manchmal weiß ich gar nicht, warum ich festhalte. Und kann trotzdem nicht Loslassen. Wenn mein Kopf im Drama ist, fokussiere ich mich auf meinen Körper. Auf meinen angespannten Kiefer. Auf meine zusammengepressten Lippen. Auf meine zusammengekniffenen Augenbrauen. Auf meine hochgezogenen Schultern. Auf meinen überstreckten Nacken. Auf meinen schnellen Atem, der die Luft nicht bis in meinen Bauch transportiert. Auf meinen eingezogenen Bauch. Auf meine geballten Fäuste.
Ich lockere meinen Kiefer. Ich lockere meine Lippen. Ich entspanne meine Augenbrauen. Ich lasse meine Schultern nach unten fallen. Ich massiere sanft meinen Nacken. Ich atme bewusst und versuche, die Luft bis in meinen Bauch zu lassen. Ich strecke meinen Bauch raus. Ich öffne meine Hände. Ich lasse meine Anspannung los.
Und vielleicht ist das körperliche Loslassen manchmal wirkungsvoller als auf Krampf den nächsten Glaubenssatz loszulassen. Vielleicht sind meine Gedanken gerade zu laut, um meine Erwartungen loszulassen. Aber vielleicht lässt manchmal erst mein Körper los und dann irgendwann, vielleicht Wochen oder Monate später, auch mein Geist. Und wenn nicht, habe ich wenigstens einen entspannten Körper.
