Loslassen ist nicht immer Jubel, Trubel, Heiterkeit. Besonders nicht, wenn Du Deine Heiterkeit loslässt.

Manchmal entscheiden wir uns bewusst dafür, Menschen, Situationen und Orte loszulassen. Wir trennen uns von unserem Partner, kündigen die Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder ziehen um. Und manchmal entscheiden wir uns unbewusst dafür und hadern in unserem Kopf mit der Wahl unserer Seele. Wir distanzieren uns schleichend von Freundschaften, bis wir merken, dass wir schon lange keine Freunde mehr sind. Wir sagen im Gespräch nicht mehr so oft unsere Meinung, bis wir merken, dass es schon lange nur noch eine Schönwetter-Unterhaltung ist. Wir unterdrücken unser Lachen in jeder Mittagspause mehr, bis wir merken, dass wir uns an die freudlosen Gesichter im Großraumbüro angepasst haben. Wir stellen unsere eigenen Bedürfnisse Tag für Tag zurück, bis wir merken, dass wir nur noch für andere da sind. Wir verlieren Schimmer für Schimmer unser Leuchten, bis wir merken, dass wir im Dunkeln stehen.

Meine Seele hat sich doch nicht dafür entschieden, dass ich mich für andere aufopfere und meine Freude verliere – wirst Du vielleicht einwerfen. Durch meinen Chef bin ich so kalt geworden, durch seine Wutanfälle und seine hohe Erwartungshaltung. Durch meine Kinder bin ich so aufopfernd geworden, durch ihre Schutzlosigkeit und Bedürftigkeit. Durch die Gesellschaft bin ich so angepasst geworden, durch das kollektive Streben nach Sicherheit und Erfolg. Wie auch immer – entscheide Dich, was Du glauben möchtest und welchen Stellenwert der Grund für Dich einnimmt.

Danach schau einmal, was gerade ist: Was hast Du unbewusst losgelassen? Deine Freude? Deine Bedürfnisse? Deine Meinung? Deine Träume? Dein Sein? Hast Du Dein Sein mit tausenden To-Do-Listen und dazwischen Ablenkung in Form von Netflix, Instagram und Co. losgelassen?

Loslassen ist nicht immer Jubel, Trubel, Heiterkeit. Besonders nicht, wenn Du Deine Heiterkeit loslässt.

Mehr Freude bedeutet auch mehr Trauer

Doch Loslassen ist trotzdem immer für Dich. Denn wie weißt Du, dass Du heiter bist? Weil Du 24/7 mit einem Lächeln durch die Gegend hüpfst und die ganze Welt umarmen möchtest oder weil Du auch Momente kennst, in denen Du lustlos aufgestanden bist, wütend auf jeden fröhlichen Spaziergänger warst und vor lauter Tränen nichts mehr gesehen hast? Wir leben hier auf Planet Erde und hier gilt das Gesetz der Polarität. Alles hat zwei Pole und die braucht es auch, um im Gleichgewicht zu bleiben. Du zweifelst noch? Dann versuche mal, einen Tag lang nur einzuatmen – ohne auszuatmen. Ewig an der Heiterkeit festhalten ist also weder erstrebenswert noch realistisch. Doch wir Menschen haften gerne an Menschen, Dingen, Orten, Gedanken und Gefühlen an. Sobald wir einen angenehmen Zustand erreicht haben, wollen wir diesen nicht mehr loslassen. Wir geraten in eine Dysbalance. Vielleicht kommt daher auch der Spruch „Zu viel des Guten“. Hinzu kommt: Polarität bedeutet auch, dass die Betonung des einen Pols dazu führt, dass auch der andere immer größer wird. Wenn wir zwanghaft an der Freude festhalten, werden auch Trauer, Gleichgültigkeit und Wut immer größer. Also erledigt das Loslassen in einigen Fällen unser Unterbewusstsein für uns.

Loslassen hilft, Situationen nicht so ernst und endgültig zu nehmen

Es geht nicht darum, sich bewusst eine Situation zu suchen, die uns traurig oder wütend macht. Vielmehr geht es ums natürliche Loslassen. Leben ist Loslassen. So wie wir jeden erlebten Moment loslassen und uns immer wieder aufs neue dem nächsten Moment zuwenden, so können wir auch jede erlebte Emotion loslassen und uns immer wieder aufs neue der nächsten Emotion zuwenden. Freude ist gleichwertig mit Trauer, Wut, Angst, Gleichgültigkeit. Unser Kopf wertet und sträubt sich, doch alles ist gleich wichtig für unser Leben und wir sind immer fähig, jede Emotion zu durchleben.

Loslassen bringt uns dabei nicht nur in den Lebensfluss, sondern hilft uns auch dabei, die Emotion, die Situation oder an was auch immer wir festhalten, nicht so ernst und endgültig zu nehmen. Alles kommt und geht und kommt. Und geht. Und es gibt für uns nichts weiter zu tun, als alles anzunehmen, die Verantwortung zu übernehmen, daraus zu kreieren, was wir wollen und dann loszulassen. Bis der Kreislauf wieder von vorne losgeht. Bis etwas Neues kommt, was wir annehmen können, Verantwortung übernehmen, kreieren, loslassen…

Meine persönliche Herausforderung mit der Freude

Danke, dass Du bis hierhin gelesen hast. Ich werde jetzt sehr ehrlich sein. Ich denke, dass ich meine Freude verloren habe. Seit mindestens vier Jahren. Besonders im letzten Jahr habe ich viel unternommen, um die Freude wiederzufinden. Coaching, Singen, Tanzen, neue Workouts, neue Menschen, neue Orte, ein neues Arbeitsumfeld, mehr Zeit in Natur und Stille, ein neues Hobby, diesen Blog hier ins Leben gerufen…

Gestern bin ich im strömenden Regen Rad durchs Feld gefahren. Ich dachte: Was, wenn ich nie mehr so viel Freude fühlen werde wie früher? Ich fühlte mich unzufrieden, frustriert, gescheitert. Dann dachte ich an meinen Moment der riesengroßen Freude zurück. Springend und schwitzend auf dem Trampolin, Verbundenheit zu allen Sportlern im Raum, Lebendigkeit in jeder Zelle meines Körpers. Ich dachte daran, wie keine einzige meiner drölftausend Jumpingstunden seitdem an die Intensität dieser Freude auch nur annähernd herankam.

Von der Erwartung, weiter zu wachsen

Kleiner Nebenschwenk: Ich denke, dass ich mich nie mehr SO akzeptiert gefühlt habe wie in diesem Moment. Ich fühlte mich derartig verbunden, verwurzelt, gesehen, geliebt, gewertschätzt wie sonst nie. In den letzten vier Jahren gab es Augenblicke, in denen ich mich so gefühlt habe. Aber ich denke, ich war nie mehr so offen für diese Gefühle wie damals. Denn damals war ich innerlich so sehr am Boden, dass ich meine Träume, meine Ziele und meinen Lebenswillen aufgegeben hatte. In meinen Augen war ich niemand und ich war okay damit. Und jetzt ist da diese Persönlichkeitsentwicklung und all die wundervollen Menschen, die dadurch in mein Leben gekommen sind. Im Gesetz der Polarität kamen meine Träume, meine Ziele, mein Lebenswille zurück. Gepaart mit einer unbändigen Erwartungshaltung an mich, dass ich mich jetzt nur akzeptiere, weil ich schon im nächsten Moment weiterwachse. Ich habe mich (unbewusst) dazu entschieden, mich jetzt nur zu akzeptieren, wenn ich zukünftig weiterwachse. Damals hatte ich nicht den Anspruch, zu wachsen. Ich hatte zeitweise nicht mal den Anspruch, zu überleben. Dadurch war ich trotz meinem damaligen Gedankenkarussell mehr im Moment und mehr in der Akzeptanz. Heute habe ich eine Erwartungshaltung des Weiterwachsens mir selbst gegenüber. Und ich projiziere meine Erwartungshaltung auf andere. Nicht in dem Sinn, dass ich auch von anderen erwarte, dass sie weiterwachsen (zumindest nicht bewusst). Sondern ich glaube, dass andere auch von mir erwarten, dass ich weiterwachse. Folglich knüpfe ich in meinem Kopf ihre Akzeptanz an diese Erwartungshaltung. Das hat nichts mit den Menschen zu tun, sondern mit meiner Haltung. Ich lerne, dies anzunehmen, wie es ist, um dann Verantwortung übernehmen und daraus kreieren zu können, was ich möchte. Nebenschwenk Ende, zurück zur Freude.

Wie würde ich wohl in diesem Moment Freude fühlen, wenn ich noch nie zuvor in meinem Leben Freude gefühlt hätte?

In dem Moment der Freude auf dem Trampolin war mir nicht bewusst, dass ich gerade so viel Freude empfinde wie mindestens vier Jahre nicht mehr in meinem Leben. Ich war dankbar für jede dieser früheren Jumpingstunden. Doch heute bin ich noch viel dankbarer. Und fühle Demut. Weil ich – gemäß dem Gesetz der Polarität – durch den Wegfall der Freude erkannt habe, wie kostbar diese Zeit war. Erst in meiner Trauer, Wut und Verzweiflung nahm ich im Kontrast war, was mir die Freude bedeutete.

Hatte ich vier Jahre lang keine Freude? Keineswegs. Ich habe Menschen beim Wachsen geholfen, Oliven in Nordzypern gegessen, war auf der Titelseite meiner Heimatzeitung, ich hatte tiefe Umarmungen, Gespräche, ich habe nachts um drei trompetet, tolle Choreos auf meinem Trampolin gejumpt, dummes Zeug an fremden Bahnhöfen geplappert… Wenn ich das so aufzähle, sind das für einen Außenstehenden wahrscheinlich nur aneinandergereihte Wörter. Und selbst die Erfahrung für mich ist als solche erstmal „leer“. Erst meine BeWERTung gibt den Situationen einen Wert. Und in diesen Fällen habe ich mich für Freude entschieden. Und doch habe ich meine Freude mit der früheren Jumping-Freude verglichen. Ich habe das jetzt erkannt. Und werde mich nun ganz oft für mich entscheiden. Nicht für meine Vergangenheit. Nicht für meine Erwartung. Nicht für den Vergleich. Sondern rein für mich in jedem Moment neu. Für reine Freude ohne frühere Erfahrungen oder gegenwärtige Erwartungen.

Wie würde ich wohl in diesem Moment Freude fühlen, wenn ich noch nie zuvor in meinem Leben Freude gefühlt hätte? Alles andere lasse ich los. Nicht sofort und nicht alles auf einmal. Aber mit jeder einzelnen Entscheidung ein Stückchen mehr. Und irgendwo in mir drin weiß ich, dass die pure Freude wiederkommt so wie der Tag nach der Nacht kommt. Vielleicht in diesem Leben, vielleicht im nächsten. So wie auch der Schmerz wiederkommt. Nichts ist endgültig. Und ich habe nichts zu tun, als jeden Moment voll und ganz anzunehmen, zu verantworten, zu kreieren und loszulassen. Und ich werte das als gute Nachricht.

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