Ich habe einen Plan für mein Leben, aber wenig Plan vom Leben.
Ich plane abends, wann ich aufstehe. Um 6 Uhr klingelt mein Wecker und seitdem ich die Energy Drinks weglasse, bin ich meistens sogar schon um 5.57 Uhr wach. Ich plane morgens, welche Aufgaben ich heute auf der Arbeit erledigen sollte. Immer weiß ich, welche Texte unbedingt mitmüssen, doch ich lasse auch etwas Platz für Unvorhergesehenes. Ich plane sonntags, welche Termine ich nach Feierabend erfüllen sollte. Einkaufen, putzen, Nebenjobs – aber manchmal auch ein
Telefonat.
An den allermeisten Tagen läuft das meiste nach Plan. Nicht minutiös, aber spätestens um halb sieben bin ich aus dem Bett draußen. Von zehn Tagesaufgaben schaffe ich mindestens sieben. Und meistens geht auch jemand dran, wenn ich anrufe. Das fühlt sich gut an. Einen Plan zu haben und meinen Alltag nach ihm auszurichten gibt mir ein Gefühl von Kontrolle. Kontrolle im Außen. Wow, Du bist so diszipliniert, so pflichtbewusst, so verlässlich – bekomme ich oft zu hören. Auch das fühlt sich
gut an. Denn in meinem Inneren – da ist es ganz schnell vorbei mit meiner Kontrolle.
Da kommt der Gedanke „Ich bin nicht gut genug“ um die Ecke. Ich denke ihn und schäme mich. „Halt. Stopp. Das will ich jetzt nicht denken“, sage ich mir in dem Versuch, die Kontrolle über meinen Kopf zurückzugewinnen. Dann denke ich an was anderes. An einen Moment auf meinem Trampolin, an dem ich so frei und sowas von gut genug gefühlt habe. An einen Moment am Bahnsteig, an dem ich mich so verbunden und so in Frieden mit mir und der Welt gefühlt habe. An einen Moment in meinem Job, als ich zum ersten Mal auf der Titelseite war und vor Stolz dachte, ich könnte die Welt erobern. Ich denke an all das – und trotzdem bleibt der Gedanke „Ich bin nicht gut genug“ in Begleitung von Scham, Trauer und manchmal auch Wut.
Egal, wie sehr ich meinen Tagesplan erfülle, alle Aufgaben und noch mehr schaffe – Gedanken wie diese nisten sich in meinem Kopf ein. „Ich bin hässlich“, „Ich bin dumm“, „Niemand mag mich wirklich“. Manchmal bekomme ich es hin, nicht mit mir zu leiden, sondern mich von außen zu betrachten. Selbstmitgefühl statt Selbstmitleid. Entscheidungsfähige statt Opfer. Dann klopfe ich, wahlweise EFT oder Ho’oponoponos, atme, spreche mit mir wie mit einer guten Freundin. Ich stelle mich hinter eine Kamera und beobachte von dort, wie ich gerade im echten Leben handle und denke.
Dann kann ich mir vergeben. Vergeben und loslassen. Dann halte ich mich nicht selbst auf, sondern gehe weiter zu neuen Erfahrungen.
Mit diesem Mindset bin ich ein Stückchen mehr die Person, die ich mehr sein möchte. Eine Person, die innerlich ruhig und gelassen, selbstsicher und stark bleibt, wenn der ganze Tagesplan von der einen auf die andere Sekunde zusammenfällt. In letzter Zeit ist das häufiger passiert: Statt um 6 Uhr aufzustehen, drei Zeitungsseiten zu kreieren und abends einen Post für meinen Nebenjob vorzubereiten, fand ich mich mit Magen-Darm-Virus beim Arzt wieder. Statt Seiten zu füllen und über Bordsteinkanten
zu schreiben, fand ich mich zwei Stunden vor Druckschluss ohne Aufmacher mit
nichts als seiner dünnen Idee und Druck im Nacken vorm Rechner. Statt mit einer fruchtigen Bowl und Gossip Girl zu entspannen, fand ich mich mit vollem Einsatz sechs Stunden lang am Telefon wieder,
um jemandem spontan zu helfen. Der Plan, den ich für mein Leben habe, hat mir in diesen
Situationen wenig genützt. Schließlich stand da nicht drin, wie ich Krankheit besiege, mir spontan einen Artikel aus den Rippen leiere oder einer Freundin beistehe, die 600 Kilometer von mir entfernt ist.

Ich spürte meine Unsicherheit. Nicht zu wissen, was ich tun sollte. Was mein nächster logischer Schritt nach vorne sein könnte. Was ich fühlen sollte. Schließlich war ich zum ersten Mal in dieser Lage. Es war unbekannt und neu für mich. Ich ging sonst nie zum Arzt. Mir brach nie so knapp ein Thema weg ohne Plan B. Ich hatte nie eine Freundschaft, für die ich nach Feierabend sechs Stunden meiner Zeit geben würde. Diese Dinge waren in mein Leben gekommen, weil ich mir Stück für Stück
erlaubt hatte, von meinem starren Plan abzuweichen. Raum für Neues zuzulassen. Mir erlauben, mich unsicher zu fühlen, Fehler zu machen, abseits der vermeintlichen Norm zu stehen. Finde ich das immer toll? Nein, lieber bleibe ich im Bekannten, in meiner Komfortzone. Lieber setze ich mich nicht
damit auseinander, dass ich wenig Plan vom Leben habe, weil ich tagein tagaus dasselbe tue, denke, fühle. Doch lohnt es sich für mich? Sowas von. Wenn ich immer nach meinem Plan lebe, bleibe ich immer die Person, die ich schon bin. An der Person ist nichts falsch, ich mag mich. Gleichzeitig sehe
ich auch mein Potential.
Und der Weg, mehr von meinem Potential zu entfalten, läuft für mich darüber, von meinem Plan abzuweichen. Dann entdecke ich im Krankheitsfall, wie sehr jede Zelle meines Körpers jeden Tag für mich kämpft, ganz egal, wie sehr mich meine Gedanken abwerten.
Dann entdeckte ich in der Jobherausforderung, wie fähig ich bin, aus Nichts Gold zu machen. Dann entdecke ich in der beginnenden Freundschaft, wie viel Liebe und Hingabe in mir stecken.
Ich habe einen Plan für mein Leben, aber wenig Plan vom Leben. Doch ich ändere das To-Do-Punkt für To-Do-Punkt, bis nur noch To-Be-Punkte in meinem Plan stehen. Liebevoll. Stark. Selbstsicher.
Friedlich. Ich lasse meinen Plan los. Für mehr innere Freiheit. Für mehr inneren Frieden. Für mehr ich in meinem Leben.